Was Leerstellen lehren können

Als 1653 ein Kreuzigungsretabel von Tilmann Riemenschneider aus einer Rothenburger Kirche in das kleine Kirchlein im nahen Detwang/Taubertal gebracht wurde, musste man feststellen, dass es 44cm zu breit war. Also musste man es seitlich verkürzen und auf zwei Figuren verzichten.In der Gruppe der Frauen rechts unter dem Kreuz fehlt jetzt die Figur der Maria Magdalena und links unter dem Kreuz, wo der Hohepriester und die Soldaten stehen, hat man den römischen Hauptmann entfernen müssen.

Die Leerstellen machen das Bild unvollständig und laden den Betrachter ein, sie auszufüllen und die Plätze einzunehmen.

Den Platz der Sünderin, der viel verziehen worden ist und die am Ostertag zur Apostolin der Apostel wird. Auf sie trifft das Wort des Hohenlieds zu: „Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt? Kaum war ich an ihnen vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt.“ (Hoheslied Kapitel 3 Verse 1-a)

Den Platz des Hauptmanns, der nicht mit den anderen spottet und mitläuft, sondern sich sein eigenes Urteil bildet und das erste Glaubensbekenntnis im Angesicht des Todes Jesu spricht: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Markus-Evangelium Kapitel 15 Vers 39)

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