Vier Stationen am 3.Tag
1964 kamen Restauratoren auf die Idee, die Chorschranken der Liebfrauenkirche in Halberstadt aus den Jahren 1200/1210, die die furchtbaren Zerstörungen des II. Weltkriegs fast heil überstanden hatten, mit einer Latexschicht zu schützen. Eine Fehlentscheidung, die man inzwischen wieder mühsam revidiert hat. So kann man jetzt die Figuren wieder in ihrer Ursprünglichkeit bewundern: Maria trägt Zöpfe und ihre Lippen leuchten rot, Apostel begleiten sie. Die Darstellung erinnert an byzantinische Vorbilder. Auch 823 Jahre nachdem sie geschaffen wurden, begeistern sie die Betrachter.
Halberstadt, die alte Bischofsstadt, wurde am 8.April 1945 durch Bombenangriffe zu 80% zerstört, die Innenstadt nahezu eingeebnet. Auch die Liebfrauenkirche wurde hart getroffen. In ihrer Geschichte, die 1088 begann, hatte sie schon viel erlebt: ursprünglich auch mit romanischen Wandmalereien versehen, wurde die Flachdecke durch ein Kreuzgratgewölbe ersetzt, im Barock übertünchte man die alten Gemälde, die im 19.Jahrhundert wieder freigelegt, dabei stark beschädigt und historisierend übermalt wurden.
Zwischen 1946 und 1952 wurde die zerstörte Kirche wieder aufgebaut. Auf die erneute Ausmalung verzichtete man. Der Kirchenraum wurde wieder weiß getüncht, ganz schlicht und einfach – ein Zeichen der Solidarität mit vielen Bewohnern der Stadt, die noch in ihren zerstörten Häusern oft in den Kellern hausten.
Gegenüber von Liebfrauen steht an der anderen Seite des Domplatzes der Halberstädter Dom – im 13.Jahrhundert begann man damit, den romanischen Bau nach und nach in einen gotischen Sakralbau zu verwandeln, an dem 250 Jahre gebaut wurde und der alle Phasen der Gotik in seiner Architektur und Ausstattung zeigt.
Hier zieht die Kreuzigungsgruppe die Betrachterin seit 1220 in den Bann. Sie erhebt sich über dem Lettner und zeigt den gekreuzigten Christus zwischen Maria und Johannes und zwei geflügelten Engeln.
Einzigartig ist der Domschatz mit den reichsten und wertvollsten Kollektionen mittelalterlicher Kostbarkeiten. Glanzlichter sind die im 12 Jahrhundert geschaffenen Teppiche, die einst das Chorgestühl zierten. Prachtstücke der Hochromanik.
Unser 3.Tag auf der Straße der Romanik begann mit dem Besuch der Kirche St.Vitus in der Siedlung Kloster Gröningen. Die um 1100 erbaute Basilika hatte einst drei Schiffe, die im 16. und 19.Jahrhundert ihre Seitenschiffe abgerissen wurden. Trotzdem hat das verbliebene Mittelschiff mit seinen zugemauerten Durchgängen zu den Seitenschiffen seinen Charme mit Flachdecke und den (abgeschnittenen) Würfelkapitellen behalten. An der Empore sieht man die Kopie eines romanischen Reliefs, dessen Original ins Bode-Museum in Berlin verbracht wurde.
Auf einstmals karolingischen Grund siedeln heute die Benediktinermönche auf dem Huysburg. Von der romanischen Klosteranlage gibt es nur noch wenige Zeugnisse: die später barockisierte Kirche und ein eindrucksvoller romanischer Saal. Begonnen hat die Geschichte des Ortes 1070 mit der Ansiedlung von drei Reklusen,zu denen sich später Benediktiner in einem eigenen Kloster hinzugesellten. In der Säkularisation aufgelöst, wechselten Teile der Gebäude ihren Besitzer, dienten als Steinbruch und kamen nach der Wende wieder ganz in kirchlichen Besitz. Heute leben dort sechs Benediktinermönche als Priorat der Abtei St.Mattheis in Trier.