Grausame Leiden und faszinierende Schönheit

Tagtäglich sind die Medien voller Berichte von Gewalt und Diskriminierung. In der Thomas-Kirche in Merseburg konfrontiert uns ein modernes Kunstwerk mit diesem Thema: „Kreuzigung vor roter Wand“ von Klaus Friedrich Messerschmidt, das er 1995 geschaffen hat. Auf dem Holz von ehemaligen Reichsbahn-Wagen, mit denen Soldaten auf die Schlachtfelder und Juden ins Konzentrationslager transportiert wurden, sehen wir die Leiden der Gegenwart dargestellt. In der Mitte ein Gekreuzigter. Es ist nicht Jesus! Die Figur repräsentiert alle Leidenden vor und nach Jesus, so der Künstler. Aber es ist kein trostloses Werk, sondern geschlossen zeigt der Altar die Geschundenen mit dem Wort „denn sie sind selber auferstanden“.

Mit dem Besuch der Thomaskirche begann der 6.Tag auf der Straße der Romanik. Im Jahr 1188 erwähnte eine Urkunde des Kaisers Friedrich Barbarossa die Neumarktkirche St. Thomas zum ersten Mal. Sie trägt das seltene Patrozinium von Thomas von Canterbury zurück, dessen Mord sich im Jahr 1170 in einer Kathedrale ereignete.
Besonders ist die Knotensäule des Stufenportals, die aus romanischer Zeit erhalten geblieben und in Mitteldeutschland einmalig ist. Heute dient die Kirche als Konzerthalle und bietet auch Jakobspilgern eine Übernachtungsmöglichkeit.

Oben auf dem Hügel über der Saale thront der Merseburger Dom, dessen Grundstein im 11.Jahrhundert gelegt wurde. Kaiser Heinrich II. und seine Frau sorgten finanziell für die Instandhaltung und die prächtige Erscheinung der Kirche. Merseburg selbst entwickelte sich zu einer bedeutenden König- und Kaiserpfalz. Der Dom hat als Patrone Johannes den Täufer und den Hl. Laurentius.

Im 16.Jahrhundert erhielt die ursprünglich romanische Kirche ihre neue, spätgotische Gestalt. Die auffälligen Staffel- oder Stufengiebel stammen aus dieser Zeit. Beim Rundgang entdeckt er Betrachter kleine Kostbarkeiten mit ihren eigenen Botschaften, wie etwa den Gekreuzigten, dem ein Arm fehlt. Oder das Altarbild von Lucas Cranach dem Älteren oder den romanischen Taufstein aus der St.Thomaskirche, das die alttestamentlichen Propheten und die Apostel zeigt. Die Knaben, die die Kanzel tragen.

Wie schafft man es als Skulptur in den Kirchenraum?

Tausende „pilgern“ jedes Jahr in den Naumburger Dom zu den Stifterfiguren im gotischen Chor. Sie bewundern Uta; Reglindis und ihre Gefährten. Keine Heiligen, sondern Stifterinnen und Stifter, die mit ihrem Vermögen für den Erhalt dieses einzigartigen Bauwerks gesorgt haben.

Der Naumburger Meister, wie man ihren Schöpfer nennt, hatte in Reims studiert und kam über Metz und Mainz nach Naumburg. Im Gepäck die Ideen der Gotik und ausgestattet mit einer großen Kunstfertigkeit. Seine Szenen der Passion Jesu im Lettner sind eine „Bibel der Armen“, die des Buchstabenlesens unkundig waren, mit großer Ausdruckskraft.

Man hat Augen zu wenig, um alles zu entdecken: etwa die beiden Handläufe von Heinrich Apel an den Treppen zum Hochchor, die den Weg ins Paradies und die Predigt des Franziskus zeigen, der zu den Geschöpfen spricht. Oder die Engelin von Heinrich Apel in der Krypta aus der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts. Oder das romanische Kruzifix dort. Oder das Kapitell mit den Schachspielenden Affen. Wer offene Augen hat, sieht mehr als nur die weltbekannte Uta, von der Umberto Ecco schwärmte, dass er sie zum Essen einladen und mit ihr gerne einen Abend verbringen möge.

Dieses war der letzte Tag unserer Reise auf den Spuren der Romanik in Mitteldeutschland. Auf der Rückreise machen wir noch in Erfurt Station, wo wir einen Stadtbummel machen. Freuen Sie sich mit uns auf die nächste Reise „Auf den Spuren der Etrusker und der mittelalterlichen Päpste“.

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